Mittwoch, 13. Juli 2016

seit tagen rief eine einzelne, nachtschwarze krähe. mal saß sie auf einem zweig des kirschbaumes. mal auf der stromleitung über dem hof. mal auf nachbars, mal auf unserem dach und rief. ich habe sie einige male verscheucht, weil ich versuchte, konzentriert zu lesen, weil sie mich unruhig machte, weil ich noch nicht erwachen wollte. ich habe dann geklatscht, ihr zugerufen oder plötzlich große bewegungen mit den armen gemacht. manchmal ließ sie sich leichter vertreiben, manchmal blieb sie hartnäckiger.

heute habe ich unter dem größeren ahorn dann im hohen gras eine ebensoschwarze krähe gefunden. tot. vermutlich seit einigen tagen. ameisen auf dem ganzen körper, ein vogelkörper, der den verlust von augen, wärme und beweglichkeit schreibt. schwarz, aber schon matt und stumpf.

also habe ich einen spaten geholt und hinter den bäumen zu graben begonnen. die bewegungen werden automatisch, mein körper wird beseelt von dem stillen rausch dessen, der ein grab aushebt. ich grabe eine stätte für das tote vogeltier. irgendwann werde ich wieder bewusst, es ist schon ein tiefes loch entstanden und doch habe ich kurz das gefühl, der kleine körper würde nicht genug platz haben, also grabe ich weiter. bald halte ich inne. die erde hat eine gleichmäßige farbe, ist leicht und duftet vielleicht sogar gut. zuunterst lege ich das loch mit etwas frischem heu aus, welches vor ein paar tagen auf der wiese gesenst wurde. dann gehe ich in den garten zum ahorn, berühre die füße, klein und schwach, verlassen. ich hebe die krähe hoch, von der die ameisen, wie mir nun deutlich wird, längst zersetzenden besitzt ergriffen haben. ich trage sie nach hinten und lege sie vorsichtig ins heu. vielleicht ein wenig so, wie liebende eltern ihr kind betten. nur eben einen halben meter unter der erde.

ich hocke dort und weine. ich denke oder spreche keine liturgie. es tut mir nur so leid. zwei tränen tropfen in das grab. ich bedecke den vogelkörper mit heu, werfe dann erste lockere erde darauf. langsam schiebe ich das loch zu. nach etwas zögern drücke ich die erde an, ein kleiner hügel entsteht, sehr unauffällig. ich gehe vom großen asthaufen ein paar trockene kirschzweige brechen, an denen noch die knospen des frühjahrs als die zeugen nicht eingelösten jugendversprechens schweigen. ich stecke sie in den hügel, aufrecht, drei stück. denke kurz über die zahl nach und mir fällt nichts konkretes ein. dann bemerke ich plötzlich, wie unbewegt ich dort stehe. sehe zu den von tiefstehender sonne angestrahlten wolken, wende mich zurück zu dem kleinen grab.

ich bin ein kind von zehn jahren und beerdige mein erstes haustier.
nur steht meine mutter nicht an meiner seite um mir zu sagen:
es werde alles gut.